Am 22. Mai 2013 wird man weltweit den 200. Geburtstag
Richard Wagners feiern, einem Menschen der den deutschen Geist wie kein
anderer beeinflußte.
Am 22. Mai 1813 wurde Richard Wagner in einem Haus
am Brühl, in Leipzig geboren, in einer Zeit
politischer Unruhen. Die sächsische Stadt war damals von den napoleonischen
Truppen besezt.
Wagner wuchs in einer Kunst- und Musik liebenden
Familie auf. Als neuntes Kind seines früh verstorbenen Vaters, den der Musiker
nie kannte, wurde der kleine Richard von
seinem Stiefvater Ludwig Geyer erzogen.
Bei der Mutter gab es wenig Zeit für Zärtlichkeiten,
wie der Musiker es in seiner Autobiografie betont.
Der Bruder seines Vaters, Adolf Wagner, prägte den
jungen Richard sehr:
„Mein
Oheim gewann später einen nicht unbedeutenden Einfluß auf meine Entwicklung;
wir werden ihm in einer entscheidenden Phase meiner Jugendgeschichte wieder
begegnen. Über meinen für mich so früh verstorbenen Vater erfuhr ich später,
daß er im allgemeinen sehr für Poesie und Literatur eingenommen, namentlich dem
damals von den gebildeten Ständen sehr gepflegten Theater eine fast
leidenschaftliche Teilnahme zuwendete.“ Richard Wagner
Die Wirkung
Wagners kunstliebenden Stiefvaters Ludwig Geyer ist auch eindeutig:
„Meine frühesten Jugenderinnerungen
haften an diesem Stiefvater, und gleiten von ihm auf das Theater über. Wohl
entsinne ich mich, daß mein Vater gern Malertalent sich in mir entwickeln
gesehen haben würde; sein Arbeitszimmer mit der Staffelei und den Gemälden
darauf ist zwar auf mich nicht ohne Eindruck gewesen; ich entsinne mich, daß
ich namentlich ein Porträt des Königs Friedrich August von Sachsen mit
kindischem Nachahmungseifer zu kopieren versuchte; sobald es aber von dieser
naiven Kleckserei zu ernsteren Zeichnungsstudien übergehen sollte, hielt ich,
vielleicht schon durch die pedantische Manier meines Lehrers (eines
langweiligen Vetters) abgeschreckt, nicht aus.“
Richard Wagner, Mein Leben
Diese Begegnungen mit der Welt der Bühne wirkten auf
die Kreativität und Vorstellungsfähigkeiten des Musikers:
„Auch bei dieser Gelegenheit ist mir der
großmütige Anteil des vortrefflichen Stiefvaters berichtet worden, welcher, nie
verzweifelnd trotz der Sorgen und Beschwerden des starken Familienbestandes,
geduldig blieb, und nie die Hoffnung, mich durchgebracht zu sehen, aufgab. –
Große Gewalt übte nun auf meine Phantasie die Bekanntschaft mit dem Theater, in
welches ich nicht nur als kindischer Zuschauer in der heimlichen Theaterloge
mit ihrem Eingang über die Bühne, nicht nur durch den Besuch der Garderobe mit
ihren phantastischen Kostümen und charakteristischen Verstellungsapparaten,
sondern auch durch eigenes Mitspielen eingeführt wurde. Nachdem mich »Die Waise
und der Mörder«, »Die beiden Galeerensklaven«, und ähnliche Schauerstücke, in
welchen ich meinen Vater die Rollen der Bösewichter spielen sah, mit Entsetzen
erfüllt hatten, mußte ich selbst einige Male mit Komödie spielen. Bei einem
Gelegenheitsstücke zur Bewillkommnung des aus der Gefangenschaft
zurückkehrenden Königs von Sachsen – »Der Weinberg an der Elbe«, mit Musik vom
Kapellmeister C.M. von Weber, entsinne ich mich, bei einem lebenden Bilde als
Engel ganz in Trikots eingenäht, mit Flügeln auf dem Rücken, in schwierig
eingelernter graziöser Stellung figuriert zu haben.“
Schon in der vierten Klasse enthüllten sich Wagners
Dichtungsfähigkeiten während eines dramatischen Ereignisses: ein Mitschüler
starb plötzlich mitten im Unterricht, und Richard wurde beauftragt, ein Gedicht
zu schreiben, daß sogar den Schuldirektorbeeindruckte:
„Als einst, da ich noch in Quarta saß,
ein Mitschüler namens Starke plötzlich starb, erregte dieser traurige Vorfall
so große Teilnahme, daß nicht nur die ganze Klasse zum Begräbnis des Kameraden
beschieden, sondern vom Rektor auch die Aufgabe gestellt wurde, durch ein
Gedicht, welches gedruckt werden sollte, die Leichenfeier zu erhöhen. Von den
verschiedenen Gedichten, unter denen auch ein von mir in Eile verfaßtes sich
befand, erschien dem Rektor jedoch keines der beabsichtigten Auszeichnung
würdig, so daß er bereits seinen Entschluß ankündigte, durch eine von ihm
selbst zu verfassende Rede für das verfehlte einzutreten. Bestürzt suchte ich
eilig Magister Sillig auf, um ihn noch zu einer Intervention zugunsten meines
Gedichtes zu bewegen: wir gingen dieses nun durch; die achtzeiligen
wohlgebauten und -gereimten Stanzen bestimmten ihn, den Inhalt des Gedichtes
sorglich zu revidieren. Es fand sich sonderlicher Schwulst in Bildern, die weit
über die Vorstellungsweise eines Knaben meines Alters hinausgingen, in dem
Gedicht. Ich entsinne mich einer Stelle, auf welche der Monolog aus Addisons
Cato, vor dessen Selbstmord, wie ich ihn in einer englischen Grammatik
vorgefunden, großen Einfluß geübt hatte. Die Worte »und wenn die Sonne schwarz
vor Alter würde, die Sterne müd' zur Erde fielen«, welche jedenfalls
unmittelbare Reminiszenzen aus jenem Monolog enthielten, erweckten Silligs mich
fast beleidigendes Lächeln. Dennoch verdankte ich der Sorgfalt und der
Schnelligkeit, mit welcher er mein Gedicht von derlei Ausschweifungen säuberte,
daß dieses schließlich vom Rektor noch zugelassen, wirklich gedruckt und in
zahlreichen Exemplaren verteilt wurde.
Der Erfolg dieser Auszeichnung war
außerordentlich, sowohl bei meinen Mitschülern, als namentlich auch bei meiner
Familie; meine Mutter faltete die Hände andächtig, und in mir ward ich nun
einig über meinen Beruf. Ganz unzweifelhaft stand es vor mir, daß ich zum
Dichter bestimmt sei.“
Richard Wagner, Mein Leben
Ein wundervoller Dichter ist Wagner schon immer
gewesen. Wer immer sich die Librettis seiner selbstgeschriebenen Opern ( nicht
alle Komponisten bemühten sich damals ihre eigenen Librettis zu schreiben, die
meisten Musiker borgten den Text und schrieben ihre Musik darauf) anschaut, wird
Wagners eigenartiges Gebrauchen der Worte genießen.
Man muß auch wahrnehmen, daß die italienische
Sprache damals in der Welt der Oper sehr lange vorrängig geblieben ist. Wagner
ist in diesem Sinne auch ein Neugestalter, denn er bringt die Schönheit der
deutschen Sprache ins Licht.
Richard Wagner war in seiner Zeit wegen seiner
avangardistischen Stellungnahme in der Welt der Kunst oft mißverstanden. Sein
Konzept der Kunst der Zukunft umfaßte Dichtung, Drama, Musik und Malerei.
Wenn man den Sprechgesang in Acht nimmt, der im Loge
Charakter im Ring des Nibelungen auftaucht, ist Wagner bestimmt ein Vorläufer
Arnold Schönbergs.
Richard Wagner hat uns ein prächtiges Erbe
hinterlassen und ich möchte zu seinem 200. Geburtstag den großen Musiker huldigen.
Mein fünftes Buch erforscht Wagners Beziehung zu
Frankreich in Kunst, Literatur und Politik. Es wird gleich beim Ibidem Verlag
veröffentlicht. Ich halte euch alle auf dem Laufenden.
Copyright© by Isabelle Esling
All Rights Reserved
No comments:
Post a Comment